Lasst die Bahn auf den Schienen!
Geplantes DB-Preissystem ab 15.12.02 verspielt Vorteile des Transportsystems
Schiene
- Das 32. BundesökologieTreffen (BÖT) in Konstanz, ein Treffen der
Umwelt- und Verkehrsreferate an deutschen Hochschulen, stellt fest, dass das
geplante neue Preissystem und Erlösmanagement Personenverkehr (PEP) der
Deutschen Bahn AG zu einer deutlichen Verteuerung der Fahrtkosten und zu einer
drastischen Einschränkung der Reiseflexibilität umweltbewusster
BahnfahrerInnen führen würde.
- Die Hoffnungen, durch ein neues attraktives, einfaches und preisbewusstes
Tarifsystem mehr KundInnen zum Umstieg auf das umweltfreundliche System Schiene
zu bewegen, scheitert schon allein dadurch, dass die bisher treuesten KundInnen,
die BahnCard-NutzerInnen, finanziell abgestraft werden sollen. Die Entwertung des
bisherigen Rabattangebotes BahnCard ist insbesondere ein Schlag ins Gesicht von
PendlerInnen und Einkommensschwächeren wie z.B. SeniorInnen und nicht
zuletzt auch Studierenden. Auf Dauer werden diese Gruppen wieder verstärkt
auf das Auto umsteigen.
- Das geplante und bisher größtenteils geheim gehaltene neue
Bahnpreissystem soll zukünftig zwar preiswertes Reisen im Einzelfall
weiterhin ermöglichen, die Flexibilität des Schienenverkehrs und damit
einer der wichtigen Systemvorteile der Eisenbahn wird jedoch in unhaltbarer Weise
beschnitten. Um preiswert zu reisen verlangt das geplante Preissystem dem
Bahnreisenden ab, bereits Tage und Wochen vorher genaue Zugverbindungen für
die Hin- und Rückfahrt festzulegen und zu buchen. Einen Rechtsanspruch auf
günstige Fahrkarten gibt die Bahn AG dabei jedoch trotzdem nicht!
- Eine kurzfristige Reiseplanänderung ist entweder gar nicht vorgesehen,
oder mit einer unglaublichen Umtauschgebühr von 30 Euro verbunden, ohne
jeden Anspruch auf ein gleich günstiges Ticket. Die ohnehin schon geringere
Flexibilität und Zugänglichkeit des Verkehrssystems Schiene wird dadurch stark eingeschränkt, wenn nicht gänzlich vernichtet.
Eine solche Angebotssteuerung lehnt das 32. BÖT entschieden ab!
- Über alternative Lenkungsmöglichkeiten, wie Sonderrabatte zu
verkehrsschwachen Zeiten, wird anscheinend in den Führungsetagen der DB AG
nicht mehr nachgedacht.
- Die Führung des tonangebenden Konzernbereichs der DB Holding, DB Reise-
u. Touristik, scheint auch blind gegenüber der kundenfreundlichen Regelung
von Haftungsfragen zu sein. Was passiert bei verpassten Anschlüssen wegen
Zugverspätungen oder Ausfall von Verkehrsmitteln im Umweltverbund?
Die TeilnehmerInnen des 32. BöT aus dem gesamten Bundesgebiet und dem
benachbarten Ausland fordern deshalb:
- 1. BahnCard aufwerten!
- Das 32. BöT erwartet jetzt und hier dem Beispiel unseres Nachbarlandes
Schweiz mit seinem vorbildlichen Bahnsystem zu folgen und einen vollwertigen
Halbpreispass einzuführen, der mittelfristig für alle Verkehrsmittel im
Umweltverbund und für alle Angebote Gültigkeit hat.
- 2. Kundenorientierte Bahn statt konzernausgerichtete Kunden!
- Die Bahn erwartet von ihren Fahrgästen, dass sie sich an das starre
Zugangebot anpassen. Stattdessen muss die Bahn den Fahrtwünschen der
KundInnen flexibler nachkommen und jederzeit attraktive, preisbewusste und
transparente Angebote zu allen Zielen im weitverzweigten öPNV-Netz
bereithalten.
- 3. Garantierte Verkehrsketten im Umweltverbund bilden!
- Die KundInnen müssen eine Mobilitätsleistung angeboten bekommen,
die für alle Verkehrskomponenten im Umweltverbund vor allem die Garantie auf
ein Ankommen am Zielort beinhaltet.
- 4. Gerechte und umweltverträgliche Preisstruktur verwirklichen!
- Wir fordern auch weiterhin eine „lineare“ Preisstruktur zu verfolgen und
nicht die Fernverbindungen auf Kosten des Nahverkehrs billiger zu machen, in dem
der Kilometerpreis über 150 km immer geringer wird.
Da die DB AG, obwohl in 100 %-Staatsbesitz befindlich, immer stärker vom
Management nach rein privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben wird,
fordern wir jetzt die Verkehrspolitik des Bundes und der Länder auf, ihren
grundgesetzlich verbrieften Verpflichtungen, dem Allgemeinwohl auch bei Verkehrs-
und Mobilitätsangeboten im Schienennetz Rechnungen zu tragen (Art. 87 e, GG),
endlich nachzukommen.
Der verfehlten Konzernpolitik kann nur Einhalt geboten werden, wenn die
Verkehrspolitik klare Vorgaben macht. Das müsste durch eine Vereinheitlichung
der Preise und die Einführung von einheitlichen Qualitätsstandards in
den Regionen geschehen.
Wir fordern die Verkehrspolitik in Bund und Ländern auf, den Ausbau einer
weitverzweigten und nahverkehrsorientierten Bahn für alle BürgerInnen
aktiv voranzutreiben. Wer einmal in Auto und Flugzeug sitzt, weil die Bahn sich
aus der Fläche zurückgezogen hat, ist größtenteils als Kunde
oder Kundin verloren.
Eine „Flugzeugbahn“ von Großstadt zu Großstadt wird weder den
heutigen Mobilitätsbedürfnissen der Menschen noch einer
ökologischen und sozialverträglichen Verkehrsbewältigung
gerecht.
Wir sind fest entschlossen, noch vor der Bundestagswahl am 22.9.02 und vor der
geplanten Veröffentlichung am 23.09.02, die „geheime Plansache“ Preissystem
des DB-Managements einer breiten und kritischen öffentlichen Diskussion
auszusetzen!
11.5.02, 32. BÖT